Lummer und der Nobelpreis

Max Planck erhielt 1918 den Nobelpreis für Physik, Wilhelm Wien bereits 1911. Auch Otto Lummer wurde zweimal dafür vorgeschlagen, jeweils 1910 und 1911 von Emil WARBURG (1846-1931), der aufgrund seines hohen Ansehens seit der ersten Vergabe das Nobelpreises im Jahre 1901 ein Vorschlagsrecht für diese höchste wissenschaftliche Auszeichnung besaß. Im Wortlaut1: "Dem Nobel Comite für Physik der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm erlaube ich mir in Folge erhaltener Aufforderung für die Verleihung des Preises im Jahre 1910 in Vorschlag zu bringen: Teilung des Preises unter die Herren

O. LUMMER, W. WIEN, und M. PLANCK

wegen ihrer Erfolge bei der experimentellen und theoretischen Erforschung der Strahlungsgesetze."

Wenn auch Otto Lummer im Gegensatz zu Planck und Wien den Nobelpreis offenbar knapp verfehlte, so zeigt diese Namensaufstellung doch, welch hohe Wertschätzung er in der wissenschaftlichen Fachwelt genoß.

Vorschlag des Nobelpreises 1910 für Otto Lummer durch E. Warburg (handschriftlich)
Vorschlag des Nobelpreises 1910 für Otto Lummer durch
E. Warburg (handschriftlich)
Vorschlag des Nobelpreises 1910 für Otto Lummer durch E. Warburg (Abschrift)
Vorschlag des Nobelpreises 1910 für Otto Lummer
durch E. Warburg (Abschrift)

Die Arbeiten Lummers zur Strahlung des schwarzen Körpers fanden um 1901 ihren Abschluß. Er kam dann wieder zurück auf seine erste physikalische Entdeckung, die Lummerschen Ringe und baute sie zu einem hochauflösenden Interferenzspektroskop, der Lummer-(Gehrcke-)Platte aus. Er galt vielleicht sogar als der beste optische Spezialist auf der Welt.

1900 habilitierte er sich in Berlin und hielt im Sommersemester 1902 als Privatdozent seine erste Vorlesung über Optik. Dann folgte 1904 der ehrenvolle Ruf als Professor und Direktor des Physikalischen Institutes an die Universität Breslau, wo er bis zu seinem Tode am 5.Juli 1925 unermüdlich in Forschung und Lehre tätig war. Er beschäftigte sich dort weiterhin mit Fragen der Strahlungslehre und verfaßte hierzu die Monographie "Grundlagen, Ziele und Grenzen der Leuchttechnik"2. Für das bekannte Lehrbuch der Physik von MÜLLER-POUILLET bearbeitete er mehrfach den Band zur Optik, zuletzt 19233. An ca. 130 wissenschaftlichen Publikationen war er beteiligt, einige darunter von grundlegender Bedeutung.

Lummer war nicht nur ein bedeutender Forscher, sondern auch ein akademischer Lehrer großen Stils, der einen "besonderen und fesselnden Zauber" auf seine Zuhörer ausübte, wie es im Nachruf auf ihn heißt4. Dieser soll nicht nur den gut ausgedachten, durchaus unterhaltsamen Experimentaldarbietungen in seinen Vorlesungen zu verdanken sein, sondern auch der "seltsam faszinierenden Art, mit der dieser lebendige Geist das Gebäude der Physik vor seinen Schülern aufbaute".

Im Archiv der heutigen Universität Wroclaw, welches dank der Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen leichter zugänglich wurde, hat in den letzten Jahren R.TORGE (Aalen) interessante Dokumente nicht nur über Lummers wissenschaftliche Tätigkeit, sondern auch über seine kulturellen und politischen Aktivitäten in Breslau gefunden5.

An der weiteren Ausarbeitung der Quantentheorie nach 1900 nahm Otto Lummer selbst keinen aktiven Anteil, doch wollte er die großen Umwälzungen der Physik im Rahmen einer Neuauflage des gesamten Lehrbuches von Müller-Pouillet in seinen letzten Breslauer Jahren einarbeiten - verhindert durch seinen Tod. Dieses Jahr 1925 markiert zugleich den Beginn der eigentlichen, modernen Quantentheorie, verbunden mit den Namen BOHR, HEISENBERG. SCHRÖDINGER u.a.

Nach 100 Jahren Quantentheorie ist es bis in unseren Alltag hinein offensichtlich, welche Auswirkungen diese eigentlich so abstrakte Theorie hat: Die Transistoren in den Mikrochips moderner Computer funktionieren nach ihren Prinzipien, ihre ständige Verbesserung und Miniaturisierung führte und führt zu drastischen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, in Wirtschaft und Politik. Und die Technik des kommenden Jahrhunderts wird die Herstellung von Quantencomputern erlauben, womit völlig neue Dimensionen in der Informationsverarbeitung bis hin zur künstlichen Intelligenz erreicht werden6.

Otto Lummer hätte sicherlich diese Entwicklung samt ihren Chancen und Risiken, bei deren Geburt er mit Pate stand, aufmerksam verfolgt. Sein Heimatstadt Gera sollte das Andenken an ihren größten Naturforscher aktiv pflegen, um Jugend und Lehrer in seinem Sinne bei kritischer Prüfung für Wissenschaft und Technik zu begeistern.


  1. Nobel Comittees for Physics and Chemistry, The Royal Swedish Academy of Sciences, Stockholm: Briefliche Mitteilung von A.Barany, Secretary of the Nobel Comittee for Physics, vom 9.5.1997 an den Autor
  2. LUMMER,O.: Grundlagen, Ziele und Grenzen der Leuchttechnik (Auge und Lichterzeugung).- München, 1918
  3. MÜLLER-POUILLETS Lehrbuch der Physik, 11.Auflage: Bd. II : Die Lehre von der strahlenden Energie.- Braunschweig, 1925
  4. Akademische Reden: Zum Gedächtnis an Otto Lummer, gehalten in Breslau 1925.- Braunschweig, 1928
  5. TORGE,R.: Der Bau des Physikalischen Instituts der Universität Breslau und seine Entwicklung unter Otto Lummer.- N.T.M., 6, 104-121 (1998)
    TORGE,R.: Der Physiker Otto Lummer in Breslau. Kulturelle und politische Aktivitäten von 1918 bis 1920.- Berichte und Forschungen, 6, 165-174 (1998)
  6. TORGE,R.: Der Bau des Physikalischen Instituts der Universität Breslau und seine Entwicklung unter Otto Lummer.- N.T.M., 6, 104-121 (1998)